Corona-Drehscheibe Schule

Corona-Herbstwelle wegen mangelhafter Schutzkonzepte

Abb. 1 stellt die aktuellen 7-Tage-Inzidenzen in allen Kantonen und nach Altersgruppe als Heat Map dar. Die Abbildung zeigt, dass die Inzidenzen im Schulalter (0-9 und 10-19 Jahre) die Gesamtinzidenzen („All Ages“) deutlich übersteigen.

Corona-Drehscheibe Schule: 7-Tage-Inzidenzen in allen Kantonen, nach Altersgruppe
Abb. 1: 7-Tage-Inzidenzen in allen Kantonen pro 100ˈ000 Personen, nach Alter.
Quelle: @t_kurz (Thorsten Kurz), basierend auf BAG-Daten.

Überdies haben die Altersklassen 0-9 und 10-19 Jahre die kürzeste Verdoppelungszeit, nämlich 8 bzw. 10 Tage. Die höchsten Inzidenzen sind in der Zentral- sowie Ostschweiz zu finden, insbesondere in ländlichen Kantonen mit tiefer Impfquote. Unter den grossen Kantonen im Mittelland fällt der Kanton Bern auf mit einer überdurchschnittlichen Inzidenz in Altersklasse 10-19.

Im folgenden zeigen wir die Auswirkung mangelhafter Schutzkonzepte anhand einiger Beispiele.

Kanton Bern

Der Corona-Ausbruch in den Schulen von Grosshöchstetten, bei dem diese Woche in vierzig Ausbruchstestungen rund 200 Kinder und Jugendliche positiv getestet wurden, hat dazu geführt, dass ein ganzes Dorf durchgetestet werden musste. Die ungünstige Entwicklung (siehe Abb. 2) hat die Forderung der Bevölkerung nach einer Wiederaufnahme der repetitiven Tests wieder in den Mittelpunkt gerückt.

7-Tage-Inzidenz im Kanton Bern, nach Alter
Abb. 2: 7-Tage-Inzidenz im Kt. Bern, pro 100k Personen, nach Alter. Im Schulalter rasch steigend.
Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case

Kanton Solothurn

Nicht alle Gemeinden im Kanton führen Schultestungen durch. Die Stadt Solothurn verzichtet ganz darauf. Gemäss „Orientierungsrahmen für Massnahmen des Contact Tracing“ (Stand 04.10.2021) wird beim 1. positiven Fall in einer Klasse auf Maskenpflicht verzichtet. Beim 2. positiven Fall wird ebenfalls darauf verzichtet, es sei denn, die Schule nimmt nicht am repetitiven Testen teil. Erst beim 3. positiven Fall gilt eine temporäre Maskenpflicht, aber auch nur ab 5. Klasse. Prävention geht anders. Es erstaunt nicht, dass an einer Primarschule mit ca. 340 Schülerinnen und Schülern (SuS) seit den Herbstferien trotz repetitivem Testen 30 SuS infiziert wurden und bereits fünf Klassenquarantänen angeordnet werden mussten. So entstehen Bildungslücken.

7-Tage-Inzidenz im Kanton Solothurn, nach Alter
Abb. 3: 7-Tage-Inzidenz im Kt. Solothurn, pro 100k Personen, nach Alter.
Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case

Kanton St. Gallen

Auf einer Webpage schreibt der Kanton «Schulen sind nicht freigegeben für das repetitive Testen». Am 08.11.2021 hat St. Gallen bei steigenden Inzidenzen im Schulalter die Maskenpflicht aufgehoben. Die Coronavirus-Website des Kantons sagt unter dem Titel «Erwachsene tragen die Verantwortung», dass die Verantwortung für die Bewältigung der Pandemie bei den Erwachsenen, nicht bei den Kindern liege. Damit seien nicht die Kinder verantwortlich für den Schutz der Erwachsenen. Was nicht gesagt wird, ist wer für den Schutz der ungeimpften Kinder in den Schulen verantwortlich ist – nämlich der Kanton.

7-Tage-Inzidenz im Kanton St. Gallen, nach Alter
Abb. 4: 7-Tage-Inzidenz im Kt. St. Gallen, pro 100k Personen, nach Alter.
Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case

Kanton Zug

Der Kanton Zug führt seit langem 1x/Woche repetitive Schultestungen durch, jedoch erst ab der 4. Klasse, als ob jüngere Schülerinnen und Schüler von Corona nicht betroffen wären. Vermutlich ist die Dunkelziffer in Altersklasse 0-9 ziemlich hoch: Wo man nicht testet, findet man auch nichts.  Zudem verzichtet Zug auf Masken. Wie Abb. 5 zeigt, reicht dies nicht aus, das Infektionsgeschehen zu kontrollieren.

7-Tage-Inzidenz im Kanton Zug, nach Alter
Abb. 5: 7-Tage-Inzidenz im Kt. Zug, pro 100k Personen, nach Alter.
Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case

Kanton Nidwalden

Der Kanton Nidwalden hat zur Zeit die höchste Inzidenz in den Altersgruppen 0-9 und 10-19, Tendenz zunehmend. Repetitives Testen in Schulen ist im Kanton Nidwalden möglich, muss aber offenbar nicht überall angeboten werden. Die Problematik der Aerosole wird im Schutzkonzept nicht erwähnt. Maskenpflicht im Unterricht gilt nur für Lehrpersonen und nur ab „Eskalationsstufe 2“, Maskenpflicht für alle nur auf „Eskalationsstufe 3“. Es ist im Schutzkonzept nicht angegeben, unter welchen Bedingungen diese Stufen angeordnet werden. Aufgrund der höchsten Inzidenz im Schulalter unter allen Kantonen besteht dringender Handlungsbedarf, einen sicheren Schulbetrieb durch eine geeignete Kombination von Massnahmen (Schweizer Käsemodell) zu gewährleisten.

7-Tage-Inzidenz im Kanton Nidwalden, nach Alter
Abb. 6: 7-Tage-Inzidenz im Kt. Nidwalden, pro 100k Personen, nach Alter.
Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case

Kanton Basel-Stadt

Basel-Stadt führt an den Primarschulen 1x / Woche repetitive PCR-Saliva-Tests durch, bei freiwilliger Teilnahme. Leider wird jedoch der Problematik der Aerosole kaum Beachtung geschenkt. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Inzidenz im Schulalter (siehe Abb. 7) seit den Herbstferien steil nach oben zeigt.

7-Tage-Inzidenz Kanton Basel-Stadt, Altersgruppen im Schulalter
Abb. 7: Inzidenz Basel-Stadt im Schulalter beträgt ein Vielfaches der Gesamtinzidenz.
Quelle: @twica14, Datenportal BS, BFS.

Tatsächlich richtet das «Rahmenschutzkonzept Volksschulen Basel-Stadt» (Stand 04.10.2021) den Fokus auf Abstandsregeln und klassische Hygienemassnahmen wie Händewaschen. Die Tatsache, dass das Coronavirus hauptsächlich durch Aerosole übertragen wird – in schlecht gelüfteten Innenräumen auch über grössere Distanz – ist hier noch nicht angekommen. Das Wort „Aerosol“ kommt im Text nicht vor, und „Lüften“ wird nur erwähnt bei den Massnahmen für Logopädie und Psychomotorik. Studien in Schulen haben gezeigt, dass das Tragen von Masken in Innenräumen das Übertragungsrisiko signifikant reduziert. Doch im Schutzkonzept von Basel-Stadt steht

«Schülerinnen und Schüler sowie Lehr- und Fachpersonen müssen auf dem ganzen Schulareal (auch in Innenräumen) keine Masken tragen, wenn der Abstand von 1,5 Metern gegenüber Erwachsenen eingehalten werden kann.»

Offenbar besteht nicht einmal Maskenpflicht, wenn in einer Klasse Infektionen auftreten.

Quellen

Wir danken @t_kurz (Thorsten Kurz) und @twica14 auf Twitter für ihre Veröffentlichung der Infografiken in den Abbildungen 1 bzw. 7 auf Twitter.