Offener Brief an die Regierung

Offener Brief mit dringendem Appell an verantwortliche Kantonsregierungen, Bundesregierung und BAG

EDK, Frau Silvia Steiner und
GDK, Herr Lukas Engelberger

Bundespräsident Guy Parmelin
Bundesrat Alain Berset
Direktion BAG, Frau Anne Lévy

Sehr geehrte Präsidentin der EDK, Frau Regierungsrätin Dr. Silvia Steiner
Sehr geehrter Präsident der GDK, Herr Regierungsrat Dr. Lukas Engelberger

Schulen werden zur Drehscheibe der Pandemie, Infektionen werden von Familie zu Familie getragen, und Impfdurchbrüche mehren sich bei Eltern und Grosseltern. Seit Wochen und Monaten weisen wir die Kantone in der Schweiz in drei Landessprachen darauf hin, dass das Schulsystem ohne geeignete Schutzmassnahmen den kommenden Winter nicht bewältigen kann und das Ziel, Klassen offenzuhalten, nicht erreichbar ist, wenn nicht ein Mindestmass an Vorsorge getroffen wird.

Dazu gehören die durch den Bundesrat organisierten und gratis zur Verfügung gestellten regelmässigen Pooltests sowie ein ausreichender Schutz vor Aerosolen (Masken, CO2-Messgeräte, HEPA-Luftfilter). Wir haben den Kantonen ein wissenschaftsbasiertes Schutz- und Testkonzept zur Verfügung gestellt, welches aufzeigt, dass diese präventiven Massnahmen nur in Kombination eine ausreichende Schutzwirkung entfalten.

Für Kinder unter 12 Jahren ist immer noch kein Impfstoff zugelassen. Long-Covid kann für Betroffene zu einer massiven Einschränkung ihrer Lebensperspektiven führen. Unsere renommiertesten Wissenschaftler:innen setzen sich in Swiss Medical Weekly

Olivia Keiser, Thomas Agoritsas, Christian L. Althaus, Andrew S. Azmand, Dominique de Quervain, Antoine Flahault, Myrofora Goutaki, Arnaud Merglen, Isabella Eckerle, „A public health strategy for SARS-CoV-2, grounded in science, should guide Swiss schools through the coming winter“, Swiss Med Wkly, 14.10.2021. https://doi.org/10.4414/SMW.2021.w30086.

für eine fundierte Public-Health-Strategie für Schweizer Schulen ein, welche einen ungestörten und sicheren Unterricht gewährleisten kann. Das Paper analysiert die Aussagen der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) zu Krankheitslast, Epidemiologie und Schutzmassnahmen für Kinder und stellt unmissverständlich fest, dass diese nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen.

Kinder schützen – jetzt! distanziert sich in aller Form von den verharmlosenden Aussagen einer SGP, die eine Durchseuchung der Kinder propagiert und Long Covid als Krankheitsfolge mit einer Wahrscheinlichkeit im einstelligen Prozentbereich unerwähnt lässt. Es ist an der Zeit, dass auch die Politik sich an aktuellen Forschungsresultaten orientiert. Verantwortliche Erwachsene, ja, wir als ganze Gesellschaft laden eine schwere Schuld auf uns, wenn wir Kinder vor vermeidbaren Erkrankungen nicht schützen.

Wir wenden uns heute mit einem offenen Brief der Literaturpreisträgerin Melinda Nadj Abonji «Halber Schutz ist kein Schutz» in deutscher und französischer Sprache an Sie, in welchem sie die Verantwortung einer Gesellschaft gegenüber Schutzbedürftigen ausführlich darlegt. Gleichzeitig fordern wir Sie auf, jetzt auf kantonaler Ebene gemeinsam zu handeln.

Drei einfache Massnahmen verordnen und umsetzen – jetzt!

  • Zweimal wöchentlich Pooltests auf Stufe Kindergarten und allen Schulstufen mit Kindern bis zu 12 Jahren schweizweit.
  • Das Ziel Grüne Schulen – jetzt! realisieren. Dies bedeutet parallel zu den Testungen die konsequente Umsetzung der Maskenpflicht ab festgelegtem Datum für mindestens 14 Tage, um ab sofort Neuinfektionen zu verhindern. Lockerungen der verordneten Maskenpflicht sind nur möglich, wenn alle Tests der vergangenen 14 Tage negativ sind und die epidemiologische Lage dies zulässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Inzidenz bei Kindern weniger schnell ansteigt und nicht höher liegt als bei der Gesamtbevölkerung. Schülerinnen und Schüler, welche nicht an den Tests teilnehmen, tragen weiterhin Maske. Kommt es erneut zu Infektionen, wird die Karenzzeit von 14 Tagen erneuert.
  • Schutz für vulnerable Menschen ermöglichen. Kinder, für welche eine Impfung nicht zugelassen ist und die mit vulnerablen Familienmitgliedern im gleichen Haushalt leben, erhalten die Möglichkeit sich mit Hilfe eines Arztzeugnisses für die vulnerable Person mit Antrag an die Schulleitung vom Unterricht dispensieren zu lassen, bis die vollständige Impfung zugelassen und erfolgt ist.

Dies sind drei Schutzmassnahmen, welche den ansteigenden Infektionszahlen die Spitze nehmen, sofort umgesetzt werden können und einfach zu kommunizieren sind. Die Bedingungen von Art. 30 des Epidemien-Gesetzes (EpG) zur Verhältnismässigkeit dieser Massnahmen sind längst erfüllt.

Update vom 17. 11. 2021: Die vollständigen Wissenschaftsbasierten Massnahmen für Schulen wurden aktualisiert und neu strukturiert.

Zu guter Letzt die Frage unserer Literaturpreisträgerin Melinda Nadj Abonji an uns alle (Zitat):

Die gegenwärtige Krise stellt uns in Frage, stellt an uns die Frage: Wer sind wir?
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Wie sieht unser Zusammenleben aus?
Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die die Verletzlichsten schützt, in der wir füreinander Sorge tragen?
Oder kümmern wir uns nur um uns selbst und folgen dem Motto, dass der Stärkere überlebt?

Melinda Nadj Abonji

Wir bitten die EDK und GDK, jetzt zum Schutz unserer Jüngsten zu handeln, denn nur gesunde Kinder können die Schule besuchen und bleiben lernfähig. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind weit weniger invasiv als Klassenquarantänen und hohe Krankheitslasten, die bei Nichthandeln infolge von Ausbrüchen unweigerlich auftreten werden.

Der Preis ist hoch: Wer jetzt nicht schützt, bezahlt mit Quarantäne, Isolation, Long-Covid-Fällen und vielen zerstörten Perspektiven für junge und auch ältere Menschen.

Mit freundlichen Grüssen

Edith Leibundgut
Pädagogin, Public Health



Fredy Neeser
Dr. sc. techn. ETH, Dipl. El.-Ing. ETH