Kanton Solothurn: Corona in der Primarschule

Rekonstruktion eines unkontrollierten Corona-Ausbruchs

An einer Primarschule mit ca. 340 Schülerinnen und Schülern (SuS) infizierten sich vom Ausbruchsbeginn am 18.10.2021 bis zum 06.11.2021 total 26 Kinder. Die Schule hat doppelt geführte Primarklassen (1. – 6. Klasse) mit total ca. 250 SuS und mehrere Kindergartenklassen mit total ca. 90 SuS. Die Bezeichnungen von Klassen, Schülerinnen und Schülern wurden zum Schutz der Beteiligten anonymisiert.

Abbildung 1 zeigt für die meistbetroffenen Klassen das Datum des ersten Falles und die Mindestzahl der Fälle im Zeitraum vom 18.10.2021 bis zum 06.11.2021. Die tatsächliche Zahl der Fälle kann höher sein, da möglicherweise nicht alle privat durchgeführten Tests bekannt sind bzw. dem Contact Tracing gemeldet wurden.

Ausbruch an Primarschule: Meistbetroffene Klassen
Abb. 1: Ausbruch an Primarschule: Meistbetroffene Klassen

Die Tabelle in Abbildung 2 zeigt, wie sich die Infektionen in der Primarklasse PKc ausgebreitet haben.

Der Ausbruch wurde vom Contact Tracing (CT) am Samstag 23.10. erstmals kommuniziert, und zwar aufgrund eines positiven PCR-Tests von Schüler:in PKc.2, welcher am Freitag 22.10. auf private Initiative durchgeführt worden war, nachdem ein Antigen-Schnelltest von PKc.2 sich am Abend des 21.10. als positiv erwiesen hatte.

Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen und Verweildauer (1/2)
Abb. 2: Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen und Verweildauer (1/2)

Am Samstag 23.10. wurde vom CT noch eine weitere Neuinfektion in Klasse PKc gemeldet. Aufgrund der Absenz eines Kindes seit Dienstag 19.10. (Konfidenz 50%) bzw. Mittwoch 20.10. (Konfidenz 100%) und mittels Ausschluss-Logik kann diese weitere (frühere) Neuinfektion mit hoher Wahrscheinlichkeit der abwesenden Person zugeordnet werden (Bezeichnung: PKc.1), denn ausser PKc.1 und PKc.2 war bis 23.10. keine andere Person dieser Klasse krank gemeldet oder positiv getestet.

Die seit 19.10. oder 20.10. abwesende und am 23.10. PCR-positiv bestätigte Person PKc.1 war am Montag 18.10. mit Sicherheit noch in der Schule. Deshalb ist davon auszugehen, dass (i) es sich bei PKc.1 um den Indexfall handelt und (ii) erste Übertragungen im Klassenzimmer am 18.10. stattgefunden hatten. Dass PKc.1 an den repetitiven Pooltests generell nicht teilnimmt, muss hier auch festgehalten werden.

Der Ausbruch wurde jedoch vom CT erst am 22.10. entdeckt bzw. am 23.10. bestätigt, da die Pooltests der Klasse PKc vom Dienstag 19.10. sich als negativ erwiesen hatten. Dass die ersten Übertragungen bereits am Montag 18.10. stattgefunden hatten, ist trotzdem plausibel, aus zwei Gründen: Erstens war PKc.1 am 19.10. abwesend (Konfidenz 50%) oder falls anwesend (Konfidenz 50%), mit Sicherheit nicht am Pooltest teilnehmend. Zweitens ist es aufgrund der Inkubationszeit unwahrscheinlich, dass Übertragungen in den Pooltests vom 19.10. nachgewiesen werden können, wenn diese am 18.10. stattgefunden haben.

Die Tabelle in Abb. 2 zeigt weiter, wie lange die SuS PKc.2, PKc.3 und PKc.4 mit wahrscheinlich ansteckenden und später PCR-positiv bestätigten SuS in der Schule weilten (in Schulzimmern mit nicht-existentem Schutz vor Aerosolen), bevor sie selber infiziert wurden und in Quarantäne bzw. Isolation gingen. Diese Verweildauer wurde basierend auf dem Stundenplan für alle involvierten SuS pro Wochentag und als Total berechnet.

Der Kanton Solothurn schreibt keine Maskenpflicht vor, nicht einmal bei einer Häufung von Fällen. Gelüftet wird nur in den grossen Pausen. CO2-Messgeräte und Luftfilter gibt es keine. Klassenquarantäne wird erst angeordnet, wenn’s brennt, d.h. wenn 4+ Kinder infiziert sind.

Über Freunde und Geschwister, aber auch via Freizeitaktivitäten vermischen sich die Kohorten (Klassen), wie in Abb. 3 gezeigt. Doch am Montag und Dienstag ist ganztags Schule – da gibt’s nur minimale Freizeit. Da die SuS sich hauptsächlich in der Schule aufhielten – und viele von ihnen ohne Maske – ist es wahrscheinlich, dass die Übertragungen in den ungelüfteten Schulzimmern stattfanden.

Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen und Verweildauer (2/2)
Abb. 3: Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen und Verweildauer (2/2)

Vergleicht man die Verweildauer in der Schule mit derjenigen bei Freizeitaktivitäten von/mit wahrscheinlich ansteckenden SuS wie in Abb. 4 gezeigt, dann ist es plausibel, dass die Mehrzahl der Übertragungen hier in Schulzimmern stattfindet. Dies ist fahrlässig, denn Long Covid bei Kindern hat eine Häufigkeit im einstelligen Prozentbereich!

Ausbruch an Primarschule – Ausbreitung in Schule vs. Freizeit
Abb. 4: Ausbruch an Primarschule – Ausbreitung in Schule vs. Freizeit

Abb. 5 zeigt die Ausbreitung der Infektionen von vier stark betroffenen Klassen mit mehr Detail. Für die Klassen PKc und PKe werden die Resultate der 1x/Woche durchgeführten Pooltests sowie die Zeitpunkte der positiven PCR-Einzeltests dargestellt. Weiter sind die möglichen (d.h. die wahrscheinlichen oder PCR-bestätigten) Ansteckungsorte mit einer Farb-Codierung markiert. Für die Klassen PKd und KG ist lediglich das Timing der positiven PCR-Einzeltests bekannt. Es ist klar ersichtlich, dass Pooltesten 1x/Woche nicht reicht – erst recht nicht, wenn beim Auftreten von Fällen nicht sofort eine Maskenpflicht für alle angeordnet wird.

Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen (4 von 17 Klassen)
Abb. 5: Ausbruch an Primarschule: Ausbreitung der Infektionen (4 von 17 Klassen)

Dazu kommt im Kanton Solothurn, dass Kinder, die nicht an den Reihentests teilnehmen, weder in Quarantäne gehen noch Maske tragen müssen. Wie das Beispiel zeigt, hat dieser Ausbruch genau mit diesem Problem seinen Anfang genommen.

Höchst problematisch ist generell der Mangel an Prävention. Bei 1-3 Infektionen wird einfach abgewartet: Der Kanton lässt über das CT mitteilen, dass der Präsenzunterricht «normal» weitergehe, und eine Maskenpflicht wird nicht angeordnet. Auch die Kontaktquarantäne wurde «wegoptimiert», denn das höchte Ziel sei ja laut EDK die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts, die Vermeidung von Bildungslücken.

Und dann kommt, was kommen muss: Es infizieren sich so viele Schülerinnen und Schüler, dass es den Verantwortlichen ungemütlich wird und sie – wohl auf Druck der Eltern – die Übung mit 10-tägigen Klassenquarantänen abbrechen müssen, wie die roten Pfeile in Abb. 5 zeigen.

Abgesehen davon, dass der Kanton mit diesem Laissez-faire seiner Obhutspflicht für die Schule nicht nachkommt, verpasst die Bildungsdirektion damit auch ihr Ziel, Bildungslücken zu vermeiden. Im Gegenteil, Infektionen breiten sich aus über mehrere Klassen – es kommt zu grossen Ausbrüchen, welche Bildung verunmöglichen.

Kinder und Familien leiden – nicht wegen der Massnahmen, sondern wegen eines untauglichen, löchrigen Schutzkonzepts, welches zulässt, dass Infektionen von Familie zu Familie getragen werden.

Informationen von betroffenen Eltern über die Situation vor Ort können der Presse via Mail an info@kinder-schuetzen-jetzt.ch vermittelt werden – unter Wahrung der Anonymität der involvierten Personen und selbstverständlich mit Quellenschutz.